Das Prinzip der Wahrheit (Prinzipien 2) by Christine Schuhmann
Autor:Christine Schuhmann
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Belletristik und Literatur
veröffentlicht: 2023-12-10T00:00:00+00:00
***
"Bitte sehr." AuÃer Puste reicht Sérafine Joanna eine angebrochene Packung Taschentücher, ehe sie rasch ihre Hände desinfiziert, Handschuhe überstreift und Louis' Puls fühlt.
"Kann- kann ich dir noch irgendwie helfen?" fragt Joanna unsicher.
Sérafine schüttelt den Kopf. "Ich komme zurecht. Du kannst gehen."
"Ich- ich würde lieber nicht- alleine rumsitzen. Ich will was tun."
"In Ordnung. Du könntest mir helfen, ihn zu nähen. Aber zuerst-" Sérafine holt einen Verweilkatheter und eine Ampulle Lorazepam aus der Kiste, schlieÃt ihre Finger als festen Ring um Louis' Handwurzel und schafft es gleich beim zweiten Versuch, den Katheter in ein Gefäà an seinem Handrücken zu legen. Hastig injiziert sie ihm eine Dosis. Danach schlieÃt sie einen Infusionsbeutel mit Elektrolytlösung an, legt ihn auf die Chaise und zupft schlieÃlich das Tuch von Louis' Hals, um die Wundränder sacht auseinander zu ziehen. Sie nickt erleichtert, während sie das Tuch auf die Wunde zurück legt.
"Zuerst müssen wir ihn waschen." Sie beugt sich wieder über die Kiste, nimmt eine Flasche mit Kochsalzlösung heraus und sticht mit einer Infusionsnadel ein paar Löcher hinein.
Joanna rutscht unterdessen auf die andere Seite von Louis' reglosem Körper und beobachtet Sérafine, bis diese seinen linken Arm über seinen Kopf legt und Joanna mit einer Geste anweist, dasselbe mit seinem rechten zu tun. Dann nimmt Sérafine die Flasche und presst sie über Louis' Brust zusammen, um seine Haut zu befeuchten, ehe sie sanft mit einem Stück Gaze das Blut davon abwischt.
"Sollte- sollte er nicht langsam wieder zu sich kommen?" fragt Joanna verunsichert.
Sérafine schüttelt den Kopf und streckt unwillkürlich die Hand aus, um die Stelle in der Luft über Louis' Stirn zu berühren, an der sie das Wenige sehen kann, was Stupor und Lorazepam von ihm übriggelassen haben. "Ich habe ihn ruhiggestellt, damit wir ihn versorgen können."
"Und-" Joanna presst die Lippen zusammen. "Meinst du, es- es könnte- was mit mir zu tun haben? Dass er versucht hat-"
"Nein."
Joanna zieht die Nase hoch und beobachtet, wie Sérafine Kochsalzlösung auf ein paar Stücke Gaze gieÃt, ehe sie damit Louis' Wunden abdeckt. Dann deutet sie mit dem Kinn auf die Scherbe, die noch immer auf dem Deckel der Plastikkiste liegt. "Ich hab mich vorhin dadran geschnitten."
Sérafine folgt Joannas Blick. Starrt einen Moment lang stirnrunzelnd. Sieht wieder zu Joanna, scheint zum ersten Mal zu registrieren, das sie eine von Louis' Hosen trägt, und ihre Stirn legt sich in noch tiefere Falten. "Diese Geschichte musst du mir irgendwann mal erzählen."
"Er hat es genäht und- er kam mir ganz normal vor, aber-"
"Es hat nichts hiermit zu tun." Sérafine sieht sie mit Nachdruck an. "Nichts hiervon ist deine Schuld. Im Gegenteil. Dank dir lebt er noch. Und dafür werde ich dir ewig dankbar sein. Verstanden?"
Joanna nickt wortlos, während Sérafine die Wunde an Louis' Hals säubert.
"Aber so viel hat er gar nicht geblutet, oder?"
"Das stimmt. Aber dieses Werk ist unvollendet. Wenn du nicht eingeschritten wärst, hätte er sicher bald weiter gemacht und wäre-"
"Hm." Unvermittelt sammeln sich Tränen in Joannas Augen. Schneller als sie sie wegblinzeln kann. "Aber warum? Warum hat ers getan?"
"Weil er krank ist und nicht-" Sérafine bricht ab und lächelt, während ihr ebenfalls die Tränen kommen.
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